Der geschlossene Regelkreis ist die Grundlage der Regelungstechnik. Wir erklären dieses Konzept ohne Mathematik nur anhand anschaulicher Beispiele. Erlangen Sie ein intuitives Verständnis, warum ein Regelkreis instabil werden kann. Und lernen Sie, was für eine gute Reglung entscheidend ist.
Ein Regelkreis besteht immer aus mindestens zwei Komponenten:
Als Beispiel nehmen wir das Auto als Regelstrecke und den Fahrer als Regler. Der Fahrer nutzt Stelleingriffe an Lenkrad, Gaspedal und Bremse um das Auto gezielt zu beeinflussen. Das tut er aber nicht einfach irgendwie – sonst wäre die Fahrt schnell zu Ende – vielmehr reagiert er auf gewisse Signale. Vor allem sind das optische Informationen, zum Beispiel wie weit das Auto vom rechten Fahrbahnrand entfernt ist.
Das heißt der Fahrer erfasst die Position des Autos und des Fahrbahnrands, verarbeitet diese und reagiert mit Lenkeingriffen. Und das macht der Fahrer nicht nur einmalig sondern kontinuierlich während der kompletten Fahrt. Immer wieder reagiert er oder sie auf die Position des Autos und das Auto reagiert auf die geänderten Stellungen von Lenkrad, Gaspedal und Bremse.
Diese prinzipielle Wirkungskette können wir abstrahiert als Signalfluss darstellen und erhalten das Regelkreisschema als Blockschaltbild:
Und genau das ist der grundsätzliche Aufbau eines Regelkreises. Es veranschaulicht das Grundprinzip der Regelungstechnik: ein Ausgangssignal der Regelstrecke (Regelgröße) über einen Regler auf ein Eingangssignal der Regelstrecke (Stellgröße) zurückzuführen. Dabei ist das Ziel dieser Rückkopplung, die Regelgröße auf einen gewünschten Wert zu bringen und dort zu halten. Das Gesamtsystem aus Regler und Regelstrecke, die über Signale verbunden sind, nennt man geschlossener Regelkreis.
Regelstrecken kann man sich gut als Wirkungskette aus hintereinander geschalteten kleineren Bausteinen vorstellen. Die in den einzelnen Bausteinen stattfinden Effekte laufen nicht unendlich schnell ab, sie benötigen jeder für sich etwas Zeit. Das heißt, die zu regelnde Größe reagiert immer verzögert auf Stelleingriffe. Die Regelstrecke besitzt eine charakteristische Eigendynamik, die je nach System völlig unterschiedlich ausfallen kann.
Ein Auto reagiert vergleichsweise schnell auf Lenkradbewegungen des Fahrers. Wobei es auch hier deutliche Unterschiede gibt. Die in Automobil Fachzeitschriften häufig verwendeten Beschreibungen für sportliche Fahrzeuge wie „sehr direkte Lenkung“ oder „Go-Kart-Feeling“ sind regelungstechnisch ausgedrückt nichts anderes als Regelstrecken mit einer geringen Verzögerung, also einer schnellen Eigendynamik.
Hier sind es ganz anders aus. Bis sich Steuereingriffe des Skippers über das Ruder in eine sichtbare Richtungsänderung des Boots ausgewirkt haben, kann eine Weile vergehen. Die Regelstrecke Boot hat eine vergleichsweise große Verzögerung, das heißt eine langsame Eigendynamik.
Das Problem mit dieser langsamen Eigendynamik ist, der Skipper bekommt nur sehr verzögert visuelles Feedback zu seinen Stelleingriffen. Bei eher hektischen Zeitgenossen mit wenig Bootserfahrungen führt das zu einem Teufelskreis: Bevor die Wirkung des einen Stelleingriffs sichtbar ist, und klar ist, ob weitere Eingriffe notwendig sind, wird schon der nächste Eingriff getätigt – gerne deutlich extremer, damit endlich was passiert, oder auch in entgegengesetzter Richtung, vielleicht war es ja vorher die falsche.
Das führt unweigerlich zu einem Schlangenlinienkurs, der sich im schlimmsten Fall immer weiter aufschaukelt, und am Ufer oder in einem anderen Wasserfahrzeug endet.
Und genau das kann prinzipiell in allen geschlossenen Regelkreisen passieren. Und zwar immer dann, wenn ein zu straff eingestellter Regler auf eine vergleichsweise träge Regelstrecke trifft. Genau wie ein hektischer Skipper reagiert dieser Regler einfach zu stark auf kleine Signale der Regelstrecke. Durch diese Überreaktion entstehen Schwingungen im Regelkreis. Mit zunehmender Aggressivität des Reglers oder zunehmender Verzögerung der Regelstrecke zeigen diese Schwingungen gedämpft abklingendes Verhalten bis hin zu exponentiell wachsenden Amplituden also einem instabilen Verhalten.
Für den Entwurf einer möglichst guten Regelung ist es wichtig zu verstehen, dass beide Teile des Regelkreises – Regler und Regelstrecke – einen Einfluss auf die Performance haben. Und es lohnt sich immer, zunächst nach Verbesserung bei der Regelstrecke zu suchen, bevor man versucht den Regler zu verbessern.
Dieser Grundsatz lässt sich am besten an den bereits verwendeten Beispielen Auto und Boot erklären. Ein Boot reagiert sehr langsam und träge. Das macht den Regelkreis zum einen direkt langsamer, da eben Änderungen der Stellgröße lange brauchen, bis Änderungen der Regelgröße beobachtbar werden. Aber noch viel schlimmer ist der indirekte Effekt: Damit keine Schwingungen auftreten muss der Skipper eines Boots viel vorsichtiger und behutsamer reagieren als ein Autofahrer. Oder regelungstechnisch ausgedrückt: Der Regler für die Regelstrecke Boot muss viel langsamer eingestellt werden als der für ein Auto.
Das bedeutet: Die Regelstrecke ist langsamer und der Regler ist langsamer. Durch die Rückkopplung im Regelkreis verstärken sich die Effekte auch noch gegenseitig. Daher gilt als Faustregel:
Reduzieren Sie Trägheit und Totzeit der Regelstrecke, wo es nur geht!
Jede Beschleunigung der Strecke bekommen Sie als Performancegewinn im geschlossenen Regelkreis mehrfach zurück.
Die Beschleunigung einer gegebenen Regelstrecke ist einfacher gesagt als getan. Daher finden Sie hier ein Liste mit typischen Beispielen für Verbesserungspotenziale, die uns in der Praxis schon häufig begegnet sind:
Falls eine experimentelle Untersuchung zu aufwendig und teuer ist, lässt sich das Potenzial solcher Verbesserungen für eine konkrete Anwendung durch Systemsimulation des geschlossenen Regelkreises sehr gut bewerten.
In einem weiteren Artikel beschreiben wir Schritt für Schritt eine praxiserprobte Methode, um PID-Regler für eine gegebene Regelstrecke einzustellen.