Die Pinch-Analyse, auch bekannt als Prozessintegration, dient der systematischen Verknüpfung von Prozessströmen zur Senkung des Energiebedarfs.
Die Pinch-Analyse ist eine system-orientierte Methode mit dem Ziel, den theoretisch minimal möglichen Energiebedarf für die Wärme- und Kältebereitstellung aller Prozesse zu bestimmen. Hierbei liegt der Fokus auf der ganzheitlichen Optimierung unter der Randbedingung von minimalen Investitions- und Betriebskosten.
Eine Voraussetzung für die Pinch-Methode ist das Vorhandensein von Wärme- UND Kältebedarf bei einem oder mehreren Prozessen im Betrieb. Idealerweise liegen die Bedarfe gleichzeitig vor, wenn nicht, ist aber auch der Einsatz von Speichern möglich.
Die Analyse gliedert sich in folgende Schritte:
Interessanterweise stellt der erste Schritt mit 60 – 70% den größten Aufwand bei der Pinch-Analyse dar. Dies liegt vor allem daran, dass die Datenaufnahme schwierig zu standardisieren ist und die Prozessströme in den Unternehmen individuell analysiert werden müssen. Teilweise ist es auch notwendig Messtechnik nachzurüsten, damit die Datengrundlage ausreichend genau ist.
Kurz und knapp gesagt: „Um Energie und Kosten zu sparen!“
In der Industrie entfallen ca. 2/3 des Energieverbrauchs auf die Bereitstellung von Prozesswärme und -kälte. Und dies verursacht hohe Kosten. Entsprechend hoch ist in den meisten Fällen aber auch das Einsparpotenzial und genau hier setzt die Pinch-Analyse an. Die Pinch-Analyse ist eine Methodik zur Ermittlung des maximalen Energiesparpotentials durch energetische Verknüpfung von Prozess-Strömen. Daher auch die alternative Bezeichnung Prozessintegration bzw. Wärmeintegration.
Bei der energetischen Betrachtung eines Industrieprozesses lassen sich verschiedene Stufen definieren. Eine energetische Optimierung sollte immer von innen nach außen erfolgen, da die äußeren Stufen den Energiebedarf der innenliegenden kaum noch beeinflussen können. Benötigt z.B. der Kernprozess bereits unnötig viel Energie, so kann diese durch die Energieversorgung nicht mehr gesenkt, sondern bloß noch möglichst effizient bereitgestellt werden.
Priorität der Optimierung:
Die Pinch-Analyse setzt mit ihrer Methodik bei den Punkten 2 bis 4 an. Die Optimierung der Kernprozesse (Bereich Systemsimulation) und der Energieversorgung (Bereich Strukturoptimierung) gehören nicht zu den Aufgaben dieser Methode. Wobei Energieumwandlung und Energieversorgung gewisse Schnittmengen haben und hier die Grenze nicht ganz so klar zu ziehen ist.
Im Prinzip definieren die Kernprozesse die energetischen Anforderungen und die Energieversorgung die energetischen Kosten für die Pinch-Analyse. Das energetische Einsparpotenzial bei noch nicht optimierten Betrieben liegt oft im Bereich von 10 – 40%.
Typischen Fragen, die sich mit einer Pinch-Analyse beantworten lassen, sind:
Wenn diese oder ähnliche Fragen bei Ihrem Unternehmen schon einmal aufgetreten sind, dann ist die Pinch-Analyse womöglich die richtige Methodik für Sie.
Am besten lässt sich das Vorgehen bei der Pinch-Analyse an einem Beispiel erklären. Daher schauen wir uns im Folgenden den Prozess der Milch-Pasteurisation an. Dieses schöne Beispiel stammt übrigens aus dem PinCH-Kurs der Hochschule Luzern, den ich sehr empfehlen kann.
Bei der Pasteurisation muss die Rohmilch von 15°C auf 95°C erhitzt und anschließend auf 5°C abgekühlt werden. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass der Prozess kontinuierlich abläuft. Wir haben also einen gleichzeitigen Heiz- und Kühlbedarf, die Voraussetzung für jede Wärmeintegration.
Für die Analyse der Prozessströme benötigen wir neben den Temperaturen auch noch den Wärmekapazitätsstrom. Dieser ist einfach das Produkt aus Massenstrom und spezifischer Wärmekapazität des Prozessstroms. Für unser Beispiel nehmen wir einen Massenstrom von 2 kg/s und eine Wärmekapazität von 4 kJ/kg.K an.
Damit ergibt sich für unseren kalten Prozessstrom ein notwendiger Wärmestrom von
$$ \dot{Q}_{\rm H} = \dot{m}c_p(T_{\rm out}-T_{\rm in}) = 640\,{\rm kW} $$
für die Erwärmung. Und für den warmen Prozessstrom analog eine notwendige Kühlleistung von
$$ \dot{Q}_{\rm C} = 2 \cdot 4 \cdot (5 - 95)\,{\rm kW} = - 720\,{\rm kW} $$
Für den einfachen Fall, dass keine Wärmerückgewinnung genutzt wird, benötigt man also eine Wärmeversorgung (Hot Utility) mit einer Leistung von 640 kW und eine Kälteversorgung (Cold Utility) mit 720 kW Leistung.
Zur Bewertung und Prozessintegration der Ströme ist es sinnvoll diese in einem Temperatur-Wärmestrom-Diagramm (T-Q-Diagramm) darzustellen. Für den einfachen Fall mit der Pasteurisation ohne WRG ergibt sich folgendes Bild:
Links in rot ist der abzukühlende warme Prozessstrom eingezeichnet und rechts in blau der aufzuwärmende kalte Prozessstrom. Die notwendigen Wärmemengen können direkt auf der x-Achse abgelesen werden und die Temperaturänderung auf der y-Achse.
Die Steigung der Kurven ist umgekehrt proportional zum Wärmekapazitätsstrom \( \sim 1/{\dot{m}c_p} \), d.h. je flacher die Kurven sind umso mehr Wärme wird für die Temperaturänderung benötigt. Im Falle eines Phasenwechsels (z.B. Verdampfung/Kondensation) wären die Kurven waagerecht. In unserem Beispiel sind die Wärmekapazitätsströme für beide Prozesse gleich groß und entsprechend ist die Steigung beider Kurven identisch.
Eine Integration bzw. Verknüpfung der Prozessströme kann über verschiedene Apparate erfolgen, wobei die Wärmeübertragung die einfachste und die Basis jeder Pinch-Analyse ist. Weitere Möglichkeiten sind thermische Speicher und Wärmepumpen.
Ein Wärmeübertrager transferiert Wärme immer vom wärmeren auf den kälteren Prozessstrom. Verschiebt man nun die beiden Prozesskurven im T-Q-Diagramm waagerecht gegeneinander, so werden sie sich auf der x-Achse teilweise überlappen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die kalte Kurve immer unterhalb der warmen bleibt.
Im Diagramm kann man nun direkt die mögliche Wärmerückgewinnung und Temperaturdifferenz bei der Wärmeübertragung ablesen. Im Beispiel ist die Kurve so verschoben worden, dass sich eine Temperaturdifferenz von 20 K ergibt, und zwar für den gesamten Wärmeübertragungsbereich, da die Steigung der Kurven gleich ist. Die theoretisch maximal mögliche Wärmerückgewinnung würde sich für eine Temperaturdifferenz von 0 K ergeben.
Das theoretische Maximum der Pinch-Analyse besagt also, dass insgesamt 640 kW zurückgewonnen werden können und entsprechend nur noch eine Kälteleistung von 80 kW benötigt würde. Leider ist dies in der Praxis nicht möglich, da hierfür unendlich große Wärmeübertrager benötigt werden. Testen Sie hierfür unser kostenloses Tool Wärmetauscher Berechnung online.
Aber wo ist in dieser Analyse jetzt der Pinch-Point? Als Pinch-Point bezeichnet man den Punkt im Diagramm mit dem kleinsten Abstand zwischen der warmen und kalten Prozesskurve. In unserem Fall gibt es also gar keinen Pinch-Point, sondern aufgrund der gleichen Steigung einen Pinch-Bereich. Im Folgenden werden wir aber auch einen richtigen Pinch-Point kennenlernen.
Bei komplexeren Prozessen bzw. einer Vielzahl an verschiedenen Prozessen kann man alle warmen und kalten Ströme zu je einer Verbundkurve (composite curve) zusammenfassen. Diese Verbundkurven spiegeln den gesamten Kühl- und Heizbedarf wider.
Das Zusammenfassen der Ströme erfolgt nach dem Superpositionsprinzip. Hier ist an einem einfachen Beispiel mit zwei kalten Strömen das Prinzip erläutert. Es lässt sich aber auch auf eine beliebige Anzahl von Strömen erweitern. Die Ströme werden zusammengefasst, indem die Wärmestromanteile im gleichen Temperaturintervall addiert werden. Die resultierende Kurve wird in dem Temperaturbereich also flacher, was den erhöhten Leistungsbedarf widerspiegelt. Die übrigen Kurvenanteile bleiben unverändert und werden bloß aneinandergesetzt.
Die beiden Verbundkurven eines Systems kann man nun wieder gegeneinander verschieben bis sie sich berühren. Der Berührungspunkt ist der sogenannte Pinch-Point, in manch einfachen Fällen ergibt sich auch bei Verbundkurven ein Pinch-Bereich wie im vorherigen Beispiel.
Anhand der Verbundkurven im T-Q-Diagramm lassen sich einige grundsätzliche Aussagen über das vorliegende System machen.
Bei der Planung des Wärmeübertrager-Netzwerkes zur Integration der Prozessströme ergeben sich daraus folgende Regeln.
Die 3 Hauptregeln der Pinch-Analyse:
Diese Regeln helfen auch bei der Analyse eines bestehenden Netzwerkes. Stellt man fest, dass eine dieser Regeln (z.B. Wärme über den Pinch-Point hinweg übertragen) verletzt wird, so sollte dies hinterfragt werden.
Es ist nicht zwingenderweise falsch, wenn die Pinch-Regeln in der Praxis missachtet werden. Oftmals gibt es technische Einschränkungen, die dies notwendig machen. Die Pinch-Analyse liefert lediglich das theoretisch mögliche Potential zur Wärmeintegration.
Allerdings gibt es in der Praxis auch zahlreiche Fälle, in denen man durch Berücksichtigung der Pinch-Regeln sehr viel Energie und Geld einsparen kann. Eine einfache Gegenüberstellung des minimalen Heiz- und Kühlbedarfs aus der Pinch-Analyse mit den tatsächlichen Energieverbrauch der Anlage zeigt hier das mögliche Einsparpotenzial. Für die Abschätzung des sinnvoll nutzbaren Potenzials sollte im Anschluss an die Prozessstrom-Analyse eine wirtschaftliche, technische Betrachtung durchgeführt werden.
In den obigen Beispielen ist die minimale Temperaturdifferenz \(\Delta T_{\rm min}\) am Pinch-Point entweder willkürlich festgelegt oder das maximale Potenzial bei der Differenz von 0 K ermittelt worden.
In der Realität bestimmt sich die minimale Temperaturdifferenz \(\Delta T_{\rm min}\) jedoch an den Kosten für die Wärmeübertrager. Je kleiner die Temperaturdifferenz ist, umso größer müssen die Wärmeübertrager sein und entsprechend teuer wird die Umsetzung.
Berücksichtigt man in der Pinch-Analyse nicht bloß die Energie, sondern auch die Kosten für die Wärmeübertrager und -versorgung, so spricht man vom sogenannten Super-Targeting. Das Super-Targeting liefert das optimale \(\Delta T_{\rm min}\) , so dass die Gesamtkosten für Investition und Betrieb minimal sind.
Schon bei einfachen Systemen kann das Super-Targeting sehr aufwendig sein, sodass sich der Einsatz einer Software schnell rechnet. Wir nutzen hierzu PinCH der HSLU, das eine vollständige Werkzeugkette (Erfassung der Prozess-Ströme, Auslegung des Wärmeübertrager-Netzwerks, Wirtschaftlichkeit-Betrachtung) für die Pinch-Analyse bietet.
Die minimale Temperaturdifferenz \(\Delta T_{\rm min}\) hat einen direkten Einfluss auf das Wärmerückgewinnungspotential und den Bedarf an externer Energieversorgung.
Neben diesen wirtschaftlichen Einschränkungen gibt es eine Vielzahl an technischen Randbedingungen die geprüft und eingehalten werden müssen:
Diese Liste ist mit Sicherheit nicht abschließend und zeigt, dass neben dem systematischen Vorgehen bei der Pinch-Analyse im Einzelfall auch immer ingenieurtechnisches Knowhow für eine sinnvolles Energieeffizienz-Konzept notwendig ist.